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Sonntag, 14. Februar 2016

Tortour Winter Cyclocross

Podium Solo Masters (von links):  2. Rainer Christ, 1. Beat Zumstein, 3. Soren Mose.Fast 90 Athleten aus zehn verschiedenen Nationen stellten sich der Herausforderung des weltweit ersten mehrtägigen Ultra-Radquer-Etappenrennen, der Tortour Cyclocross in Schaffhausen. Neben Profis, Extremsportler, (ehemaligen) Weltmeister wagten sich auch eine Reihe von ambitionierten Hobbysportler an den Start, darunter auch Rainer Christ aus Ueken. Nachfolgend sein Renn-Bericht.

Die Verhältnisse rund um Schaffhausen waren, wie es sich für ein Radquerrennen gehört, so richtig garstig. Auf dem Randen lag Schnee und durch die Nässe der letzten Tagen war der Boden schon richtig aufgeweicht und entsprechend schwierig zu fahren. Aber alles der Reihe nach.
Nach dem Check-in am Freitag starteten wir um 15 Uhr zum Prolog über 20,5 km und zirka 200 Höhenmeter. Auf die Strecke wurden wir von niemandem geringerem als dem ehemaligen mehrfachen Radquer-Weltmeister Albert Zweifel geschickt. Nach einem neutralisierten Start ging die Post ab, die Profis drückten aufs Tempo und ich versuchte eine Weile noch im Windschatten mitzufahren. Doch bald musste ich abreissen lassen und bei der ersten Steigung riss sich das relativ kleine Feld doch schon weit auseinander. Der Boden war noch einigermassen trocken und die Wald- und Wiesenpassagen waren noch relativ gut zu fahren. Aufgrund der überschaubaren Anzahl Teilnehmer hatte ich meine Konkurrenten in der Masters Kategorie schnell ausgemacht. Zu dritt hetzten wir uns und versuchten einander abzuhängen, als ob es morgen kein Rennen gäbe. In einem Waldstück konnte ich dann einen kleinen Vorsprung rausfahren und nach etwa 48 Minuten kam ich dann als Zweiter ins Ziel.

Richtige Radquer-Bedingungen, oder etwa nicht?Die Angst vor dem Platten
Am Samstag um 8.30 Uhr erfolgte der Start zur ersten Etappe über 96 km und über 2100 Höhenmeter mit ein paar steilen Auf- und Abstiegen. Vor dieser Etappe hatte ich riesen Respekt, aber ich wollte den 2. Rang unbedingt verteidigen. Auf den ersten flachen 5 km wurde wieder ordentlich aufs Tempo gedrückt und ich musste aufpassen, mich da nicht zu fest mitreissen zu lassen. Irgendwie ist mir auch fast entgangen, dass wir am Rheinfall vorbeifuhren. Kurz danach die ersten Höhenmeter und auch weg vom Teer in den Wald. Auf den mit Steinen gespickten Wegen fuhr die Angst, einen Platten zu kriegen, immer mit. Ich blieb bis dahin verschont. Ein Zweier-Team hatte auf dieser Etappe sage und schreibe neun Platten. 
Schon bald kurbelten wir im Schnee (bis zirka 15 cm) und aufgeweichtem Boden. Selbst das Abwärtsfahren kostete viel Kraft und bat gar keine Gelegenheit zum Ausruhen. Kleinere Steigungen auf der Wiese bezwang ich mit Gehen, da das Fahren viel kräftezerrender war. Auch war Technik gefragt, welche ich mir zum Glück in den letzten wenigen Jahren auf dem Mountainbike angeeignet hatte. Zusätzlich gab es immer wieder natürliche Hindernisse (u.a. umgestürzte Bäume) zu Fuss zu überqueren und, wie es sich für Radquer (Cyclocross) gehört, das Velo zu schultern. Anhand des Streckenprofils lag heute die erste wirklich harte Prüfung bei zirka 60 km. Aber ich war kräftemäs­sig schon vorher am Limit, die Nässe in den Schuhen und die kalten Hände sorgten für das Übrige. 
Nach 3,5 Stunden erreichte ich Kilometer 60 und was auf den nächsten paar hundert Meter kam, machte dem Namen Tortour alle Ehre. Mehr als 200 Höhenmeter sehr steil rauf, das heisst, Velo schultern und sich mühsam den Berg hoch kämpfen. Ich versuchte es mit 20 Schritten, dann Verschnaufpause, dann wieder 20 Schritte, wieder Verschnaufpause usw. es so erträglich wie möglich zu machen. Auch war der Boden sehr rutschig und mit den klobigen Veloschuhen war es auch nicht einfach. Aber auch dieses Leiden hatte mal ein Ende. Nach etwa 45 Minuten ging es auf der anderen Seite runter mit dem Wissen, dass es zum selben Punkt wieder raufgeht. Die nächsten paar Kilometer wäre ich vor kurzer Zeit nicht mal mit dem MTB gefahren, geschweige denn mit einem Rennvelo (mit kleinen Stollenpneus). Bevor es wieder rauf ging, habe ich mich an der Verpflegungsstation gestärkt. Der Service war himmlisch (nach der Hölle vorher) und mir wurde sogar das Rad gehalten. Aber ja nicht zu lange aufhalten, es lagen noch fast 25 km vor mir und ich hatte ja ein Ziel. Zum Glück durften wir diesmal auf dem Teer die 350 Höhenmeter hinter uns bringen, anstrengend war es trotzdem. Die letzten 20 km ein ständiges Auf und Ab aber tendenziell mehr abwärts.

Man finde den Weg...Das Ziel kam näher und ich war mehr als k.o. Dann, bei Kilometer 88, das Missgeschick: ein Platten. Und wie kann es anders sein, natürlich am Hinterrad. Mit kalten Füs­sen, steifen Glieder und klammen Finger ist das Wechseln eines Schlauchs gar nicht so einfach, es kostete mich über zehn Minuten. Ich war noch nicht ganz fertig, da fuhr mein härtester Konkurrent an mir vorbei. «Shit», dachte ich, «das darf nicht sein.» Ich beeilte mich so gut es ging und fuhr hinterher. Mir wurde fast schwarz vor Augen, aber ich schaffte es, ihn nach ein paar Kilometer einzuholen. Auf den letzten Kilometer schenkten wir uns nichts und jeder versuchte den anderen zu distanzieren. So fuhren wir bis ins Ziel, wo ich entkräftet eine halbe Radlänge hinten war. 
Ich war froh, im Ziel zu sein, aber ich war auch enttäuscht. Dann dachte ich: «Es hätte ja auch schlimmer kommen können.» (Ich fuhr 10 Meter hinter einem Fahrer welcher voll in ein Auto reinknallte, einen Salto über die Haube riss und auf dem Boden aufschlug; und später dann mit einem anderen Rad weiterfuhr!) Und der Frust wich langsam aber sicher der Freude. Nach einer kurzen Verpflegung habe ich das Rad in den Service gebracht um es für den morgigen Tag wieder in Schuss zu bringen. Neben dem Mensch wird auch das Material sehr stark strapaziert.

Cooler SingletrailHighlight Single-Trail
Nach einer schlechten Nacht bereits die zweite und letzte Etappe, 90 km und 1500 Höhenmeter. Nicht mehr so viel im Schnee und auch weniger Morast-Passagen, aber deswegen nicht viel einfacher. Wiederum um 8.30 Uhr der neutralisierte Start von zirka 1 km. Ich war richtig müde und auch mein Kopf wollte nicht wirklich. Auch mein direkter Konkurrent schien einen besseren Tag zu haben und distanzierte mich immer mehr. Der längste Anstieg kam bereits auf den ersten 8 km und das half mir auch nicht wirklich. Ich brauchte Zeit, um in die Gänge zu kommen. In einer kurzen schwierigen Passage hatte ich aber plötzlich fast wieder aufgeschlossen und das Highlight kam nach etwa 13 km: ein wundervoller, schwieriger und technischer Single-Trail. Gleich auf den ersten paar Meter habe ich die zögerlich vor mir fahrenden Mitstreiter mehr oder weniger stehen lassen. Ich liebe solche Passagen. Nach zirka 3 km war der Spass leider vorbei und Asphalt war für eine kurze Zeit wieder unter meinen Rädern. Trotz relativ weiter Sicht nach hinten sah ich niemanden kommen (Anmerkung: ich hatte fast 4 Minuten auf dem Single Trail rausgeholt), aber noch viel kann passieren. Es kam mir auch so vor, dass wir jeden Hügel, jede Schlaufe auf einer relativ kleinen Fläche fuhren, nur um Kilometer und Höhenmeter zu sammeln.

Tragepassage rauf auf den RandenAuf den nächsten Kilometern ein ständiges Auf- und Ab, aber zum Glück auf relativ humanen Strassen/Wegen. Bis jetzt hatte ich mich dreimal verfahren, was sicher ein wenig Zeit gekostet hat. Aber ich fühlte mich einiges besser als zu Beginn der Etappe. Bei Kilometer 61 dann der Wendepunkt in Stein am Rhein sowie der letzte Verpflegungsposten. Der Regen und der Wind waren schon länger meine Begleiter und ich war schon richtig durchnässt. Auf dem Rückweg, das heisst auf den letzten fast 30 km Gegenwind und sehr starker Regen. Ich fuhr seit geraumer Zeit alleine und das war dann bis zum Schluss der Fall. Ich kam dem Ziel näher und näher, aber an jedem kleinen Hügel musste ich immer mehr kämpfen. Langsam machte sich Resignation breit. «Wieso müssen die kurz vor dem Ziel noch so ein paar fiese Steigungen einbauen?», dachte ich mir. Endlich, nach fast 5 Stunden war auch diese Etappe und somit die Tortour beendet. Etwas mehr als 12 Stunden für rund 3800 Höhenmeter sowie zirka 206 km bedeuteten der 2. Rang bei Solo Master Männer.

Mein Fazit 
Es war das Härteste (eine Tortour), an den ich bis jetzt teilgenommen hatte, speziell wegen dem Samstag. Aber eine tolle Organisation, eine super Stimmung sowie eine freundschaftliche Atmosphäre entschädigte (fast) alle dieser Strapazen.

Hinweis: Das SRF2 widmete in der Sportlounge vom 15. Februar der Tortour Cyclocross einen etwa zehnminütigen Beitrag.